Wie sich Starter auf die Wanderweltmeisterschaft in Duisburg vorbereiten
Jannik Giesen hatte einen verrückten Plan. Er wollte loswandern und in 20 Tagen dann 1000 Kilometer zurücklegen. Der Wuppertaler erzählte einem befreundeten Sportwissenschaftler von der Idee. „Der hat mir nur gesagt, dass das praktisch unmöglich ist“, erzählt Giesen. Der Ansage seines Kumpels hielt ihn aber nicht davon ab, den verrückten Plan umzusetzen. Giesen packte seinen Rucksack, wanderte durch Norddeutschland sowie Dänemark und erreichte schließlich sein Ziel.
Seitdem hat der 34-Jährige weitere ultralange Wanderungen absolviert. So machte er sich 2019 zu Fuß auf den Weg von Wuppertal nach St. Petersburg. 3000 Kilometer betrug die Strecke. Giesen benötigte 58 Tage. Er hat in seinem Leben auch schon eine Wanderung von Venedig nach Köln mit Alpenüberquerung gemeistert.
Wanderweltmeisterschaft im Landschaftspark
Seiner Leidenschaft geht der Extrem-Wanderer auch auf andere Weise nach. So startet Giesen regelmäßig beim Format „Mammutmarsch“. Und auch am 2. September ist er dabei – bei der Wanderweltmeisterschaft „Last one standing“ in der SPORTSTADT DUISBURG. Im Landschaftspark Duisburg-Nord geht es darum, innerhalb von 24 Stunden so viele Kilometer wie möglich zu wandern. Zwischenspurts sind verboten. Aber Jannik Giesen hat auch die Technik für das schnelle Wandern raus. „Ich freue mich auf die Herausforderung und möchte in Duisburg meinen bisherigen Bestwert überbieten“, sagt der Teilnehmer, der schon mal 171 Kilometer in dem Zeitraum zurückgelegt.
Bei der vom Mammutmarsch organisierten Wanderweltmeisterschaft geht es aber nicht nur um Topwerte. Das Gemeinschaftsgefühl ist für viele Teilnehmer ein Anreiz, zwölf oder 24 Stunden am Stück unterwegs zu sein. Zu ihnen gehört Tanja Duncan. Sie hat auf Facebook einen Beitrag über ihre neue Leidenschaft verfasst. Das schrieb Tanja Duncan vor ihrem Start in der SPORTSTADT DUISBURG:
Meine Geschichte. Wo fang ich da an? Zuerst einmal: Die Wanderweltmeisterschaft wird mein erstes Mal sein. Mein erstes Mal, gemeinsam mit meinem Ehemann und Freunden, die dieselbe Geschichte teilen wie ich.
Angst vor Mobbing und fiesen Kommentaren
Ich bin 36 Jahre jung und war davon mindestens 30 schon immer übergewichtig. Ich wurde gehänselt und gemobbt und war nie sportlich – vor allem, weil ich keine Lust darauf hatte, von meinen Mitschülern ausgelacht zu werden oder zu hören, wie sie hinter meinem Rücken darüber ablästern, wie mein Speck bei jeder Bewegung seine ganz eigene Bewegung macht. Von meiner Familie kam immer nur: Beweg dich mehr und iss weniger. Eigentlich kam genau das immer und von jedem im Laufe der Jahre und half mir nie weiter. Diäten, Shakes, Bewegung… Denn das alleine bringt nix, wenn die Psyche kaputt ist durch all die Hänseleien, fiesen Kommentare und herabwürdigende Blicke.
Es hat lange gedauert, bis mich mein eigenes Gewicht zum Weinen gebracht hat. Ich war 34 und die Zahl auf diesem schrecklichen Ding sagte mir, dass ich 150 Kilogramm wiegen würde. Ich meine, die Waage konnte nichts dafür, die machte ja nur ihren Job – aber ich war trotzdem fix und fertig und konnte es nicht glauben.
Ich war tagelang so entsetzt darüber, dass ich nicht mit anderen Menschen agieren wollte. Nicht einmal mit meinem Mann, der sich in der Zeit wirklich rührend um mich bemüht hat. Aber es ging nicht. In mir drin ging in dieser Zeit einfach gar nichts mehr und ich hatte so viele Gedanken in meinem Kopf – die Schlimmsten waren tatsächlich unser Kinderwunsch. Ich hatte mich eingelesen, was da alles mit einem solchen Gewicht passieren könnte. Mit dem Kind. Mit mir – und dann diese Werbung vom Vileda-Wischmopp, wo der Papa mit seiner Kleinen über den frisch gewischten Boden tollt.
Für eine Magen-OP gekämpft
Und ich dachte mir: Das will ich auch. Ich will mit meinem Kind tollen können und nicht auf dem Sofa sitzen und zugucken, weil ich mich nur rollend fortbewegen kann. Ich will alt werden – zusammen mit meinem Mann. Richtig alt! – Und da traf ich die zweitbeste Entscheidung meines Lebens: Ich werde mir Hilfe holen.
Also habe ich mit einem Adipositaszentrum telefoniert, habe alles Nötige an Sport, Ernährung und psychologische Unterstützung angenommen, zu 120 Prozent dahintergestanden und habe für eine Magen-OP gekämpft. Ein Kampf, den ich endlich einmal gewonnen habe. Ein Kampf, der mir jetzt, 56 Kilogramm weniger später, deutlich zeigt, dass sich das Kämpfen gelohnt hat.
Ich kann mich wieder bewegen, ich hab‘ wieder Luft zum Atmen und fühle mich so viel fitter. Ich sag euch: Es ist wirklich wie ein zweites Leben. Und ich hab‘ endlich Spaß an Bewegung, daran mit Menschen zusammen zu kommen und gemeinsam Dinge zu tun.
Mammutmärsche bringen Spaß an der Bewegung
Auf diesem Wege habe ich auch jede Menge Menschen mit meinem oder einem ähnlichen Weg kennenlernen dürfen. So kam ich an tolle Menschen wie Melanie Dibbern, (die regelmäßig Mammutmärsche mitläuft), die gerade uns mehrgewichtigen Menschen Spaß an der Bewegung näherbringt, den lieben Notker, die tolle Marion. Wir laufen gemeinsam im Team „Die Mammutschnecken“ mit. Und auch wenn ich im Gegensatz zu euch nur ein Ziel von 20 Kilometer vor Augen habe, die ich knacken will, so bin ich doch genau wie ihr: Ich will mich herausfordern, will meine Grenzen austesten und vor allem: Will ich Spaß haben. Wenn uns also jemand unterstützen möchte: SUPER GERNE.
Und das Gute an meiner Geschichte? Sogar mein Mann kommt und läuft mit, obwohl er der größte Bewegungs-Legastheniker der Welt ist. Das wäre vor zwei Jahren undenkbar gewesen!
Und falls es wen interessiert: meine erstbeste Entscheidung war es, diesen Mann zu heiraten.
Bei seinem extremen Wanderungen überquerte Jannik Giesen auch schon einmal die Alpen. Foto: privat
Jannik Giesen startet regelmäßig beim Mammutmarsch – auch bei der Wanderweltmeisterschaft in Duisburg. Foto: privat