30 Jahre Landschaftspark-Nord: Taucher freuen sich über einzigartiges Gewässer

Der helle Strahl der Tauchlampe reicht nur wenige Meter weit. Alles, was der Lichtkegel nicht erhellt, verschwindet in der Dunkelheit. Finster ist es hier, zwölf Meter unter der Wasseroberfläche. Dann zeichnen sich im grün-schwarzen Wasser plötzlich schemenartige Umrisse ab, ein Flugzeug liegt auf Grund. Das Wrack der kleinen Maschine ist einer der Höhepunkte im Tauchgasometer.

Der Gasometer an der Emscherstraße in Duisburg ist nach Angaben des Betreibers das „größte Indoor-Tauchzentrum Europas“. Das Becken hat einen Durchmesser von 45 Metern, fasst 21 Millionen Liter Süßwasser und ist bis zu 13 Metern tief. Allerlei „Sehenswürdigkeiten“ haben die Taucher in dem künstlichen Gewässer versenkt. So gibt es zum Beispiel ein Schiffswrack, ein Gängesystem aus Betonröhren, das durchschwommen werden kann, alte Autos – und einen gelben Postkasten, der darauf wartet, dass endlich mal wieder jemand einen Brief einwirft.

Taucher in Industrie-Ruinen

Dass in dem Gebäude, das 1920 einst als Gasspeicher erbaut wurde, heute Taucher ihren Sport ausüben können, hängt zusammen mit der Schließung des Meidericher Hüttenwerks im Duisburger Norden. Bis ins Jahr 1985 wurde auf dem riesigen Gelände, das heute unter dem Namen Landschaftspark Duisburg-Nord Touristen anzieht, Roheisen produziert. Nach dem Aus des Hüttenwerks wusste zunächst niemand, was mit den Industrie-Ruinen auf dem 180 Hektar großen Areal geschehen sollte. Fest stand nur: Das Ruhrgebiet befand sich zu jener Zeit zwischen Abriss und Aufbruch – und musste sich dringend neu erfinden.

In einem ersten Schritt erwarb das Land Nordrhein-Westfalen die Fläche in Meiderich mit dem Ziel, aus der Industriebrache einen großen Park zu entwickeln. Es folgte ein internationaler Wettbewerb für Landschaftsarchitekten, 1991 stand der Sieger fest. Die Ansprüche an das Projekt waren hoch: Der Landschaftspark sollte Naherholungsgebiet für die Duisburger Bevölkerung sein, Möglichkeiten für Sport und Freizeit bieten, Zentrum kultureller Aktivitäten wie Theater- und Konzertaufführungen bilden und natürlich auch Zeugnis der Geschichte der Eisenhüttentechnik bleiben. Die ersten Bereiche des Landschaftsparks wurden vor 30 Jahren, am 17. Juni 1994, der Öffentlichkeit übergeben.

Großes Interesse am Gasometer

Sehr interessiert an diesem Prozess war auch eine Gruppe Duisburger Taucher. Ausgerüstet mit Pressluftflaschen, Atemreglern und Neoprenanzügen erkundeten sie in jener Zeit des Umbruchs sämtliche Wasserflächen auf dem Gelände. „Wir sind damals durch jedes geflutete Rohr getaucht“, sagen Zeitzeugen. „Das war wirklich abenteuerlich.“ Besonders groß war ihr Interesse am ehemaligen Gasometer.

Bis zur Stilllegung des Werks diente besagter Gasometer als Speicher für Gichtgas, ein giftiges Nebenprodukt der Roheisenerzeugung. Als die Taucher das Gebäude Anfang der 1990er-Jahre erstmals betraten, war die große „Dose“, wie die Taucher den Gasometer inzwischen nennen, ganz schön heruntergekommen. Regenwasser stand metertief, an den Wänden klebten Rost, Schmier und Dreck. Trotzdem haben die Taucher damals sofort das Potenzial für ihren Sport erkannt. Sie wollten das brachliegende Industriegelände rund um das ehemalige Hüttenwerk zum Reiseziel für Tauchbegeisterte machen.

Klubhaus im Hochofenbüro gebaut

Im Oktober 1993 haben sie dann den Verein „Taucher im Nordpark Duisburg“ gegründet. Das alte Hochofenbüro bauten sie in der Folge zu ihrem Klubhaus um. Und Mitte 1996 begannen sie damit, den Gasometer für den Tauchbetrieb vorzubereiten. Tagelang standen die Jungs damals mit dem Hochdruckreiniger auf dem Gerüst, um die Wände zu putzen

Im Herbst 1998 war es dann so weit: Das runde Gebäude wurde geflutet. 33 Tage lang rauschte das Wasser in die große Metall-Dose. Seit 2005 firmiert der Unterwasser-Abenteuerspielplatz unter dem Namen „Tauchrevier Gasometer“ und wird professionell betrieben. Es gibt einen Ausrüstungsverleih, Ausbildung findet statt und auch „Schnuppertaucher“ können unter Anleitung ausprobieren, ob der Sport etwas für sie ist.

Ausflugsziel in der SPORTSTADT DUISBURG

Der Landschaftspark-Nord in der SPORTSTADT DUISBURG ist zu einem beliebten Ausflugsziel geworden. Um den Charme der „Industriekultur“ zu erleben, nehmen Besucher weite Anreisen in Kauf. Immer mehr Touristen entdecken das Ruhrgebiet als Reiseziel. Zuletzt hatte allein der Landschaftspark Duisburg-Nord im Jahr mehr als eine Million Gäste.

„Der Park ist neben dem Hafen, der Landmarke ,Tiger & Turtle‘ und dem Zoo die größte Attraktion in Duisburg“, sagt der Tourismusverantwortliche der Stadt, Kai U. Homann. Die Menschen kommen aus dem Ruhrgebiet, aus Nordrhein-Westfalen, Deutschland und der ganzen Welt. Die Open-Air-Sehenswürdigkeit gehört nach Homanns Beobachtung für die überwiegende Mehrheit der Besucher der SPORTSTADT DUISBURG zum Pflichtprogramm – für Taucher sowieso.

 Heute schlägt Duisburgs Puls anders als zu jener Zeit, als in der Stadt noch Kohle geschlagen wurde. Orte wie der Gasometer sind nun Zeugen einer vergangenen Ära. Dabei bilden die Kulissen von gestern die Bühne für das Leben von heute. Als der Abriss eine Option war, hat man sich in Duisburg zum Glück für den Aufbruch entschieden, an Land – und unter Wasser.

Der Landschaftspark Duisburg-Nord feiert ein Jubiläum zum 30-jährigen Bestehen. Foto: Tobias Appelt / Redaktionsbüro Ruhr

Das Gebäude von oben: 21 Millionen Liter Wasser befinden sich im Innern. Foto: Tobias Appelt / Redaktionsbüro Ruhr

Im Gasometer können Taucherinnen auch ein Flugzeugwrack bestaunen. Foto: Tobias Appelt / Redaktionsbüro Ruhr